Was bringt Bio wirklich?
«Was, du isst Bio?! Bringt doch nichts. In Bio hat’s nicht mehr drin, als in herkömmlichen Lebensmitteln. Du zahlst nur mehr dafür. Ausserdem ist sowieso alles Betrug; die meisten Bio-Produkte sind gar nicht Bio.»
Solche Kommentare höre ich oft; und dann ein innerliches Echo davon, wenn ich beim Einkaufen wieder besonders viele Biowaren auf dem Kassenband habe und damit die Schokolade (nicht bio), welche auf demselben Band dahin rollt, etwas überdecken kann. Haben die Kritiker Recht? Bringt Bio nichts ausser ein schmaleres Konto?
Eine grössere Metastudie von 2012 zum Thema gibt den Kritikern Recht. Dieselbe Studie hat allerdings selbst einen grösseren Kreis von Kritikern. Ich will hier nicht im Detail auf diese Studie oder die Aussagen ihrer Kritiker eingehen. Wie mit jeder Studie kann man alles im einen oder anderen Sinne auslegen. Nachlesen kann man sowohl das Wort eines Kritikers als auch die Originalstudie im Environmental Health Perspectives Magazin (ehp).
Mich selber überzeugen bereits die folgenden Punkte, dass ich Bio den herkömmlichen Lebensmitteln vorziehe:
- Die Kaninchen meiner Nachbarin wollten keine normalen Rüeblischalen mehr essen, nachdem sie meine Bio-Rüeblischalen gekostet hatten.
- In meinem Bio-Broccoli finde ich manchmal eine Raupe.
Die Feinschmecker-Kaninchen oder Was ist wirklich mehr drin in Bio?
Bis ich gehört habe, dass die Kaninchen meiner Nachbarin normale Rüeblischalen verweigerten, nachdem sie meine Bio-Rüebliabfälle verfüttert gekriegt hatten, war meine Devise: «Die Frage ist nicht, was im Bio-Gemüse mehr drin ist, sondern was weniger drin ist.» Fehlende Nährstoffe sind eine Sache, Pestizide und antibiotika-resistente Bakterien eine andere, weit beunruhigendere. Wenn ich den Satz in oben erwähnter Studie lese: «Zwei Studien zeigten einen markant tieferen Pestizidgehalt im Urin von Kindern, welche Bio- im Gegensatz zu herkömmlichen Lebensmitteln konsumiert hatten, …«, dann ist das für mich schon Grund genug, für meine Tochter, wenn möglich, Bio zuzubereiten. Auch wenn sie im Studientext gleich nachschieben, dass sich die Blut- und Organwerte nicht markant unterschieden, beruhigt mich das keineswegs. Unser Körper kann vieles. Er kann offenbar auch Pestizide ausscheiden. Aber wir wissen zuwenig darüber, was denn nun gefährliche Mengen sind und welche Auswirkung es hat, wenn wir den Körper diesen Pestiziden konstant aussetzen. Tierversuche diesbezüglich sind nicht allzuvielversprechend, was unsere gesundheitliche Zukunft angeht. Auch scheinen sich Pestizide nicht gerade positiv auf unseren Intelligenzquotienten auszuwirken, wie Studien zeigen (beides nachzulesen im ehp-Magazin).
Ob die Kaninchen der Nachbarin nun intelligenter sind, seit sie Bio-Abfälle bekommen, weiss ich nicht. Was die Nager mir allerdings objektiv gezeigt haben, ist, dass am Bio-Gemüse irgendetwas besser ist. Sei es nun, dass weniger Giftstoffe drin sind oder mehr Nährstoffe. Zumindest scheinen Bio-Rüebli besser zu schmecken und dieser Überzeugung war ich schon vor den Karnickeln.
Die Raupe im Bio-Broccoli oder Der Bio-Skandal
Den König im Dreikönigskuchen kriege ich nie, aber oftmals bin ich die Königin, wenn es um Raupen in meinem Broccoli geht. So oft, dass ich mir manchmal überlege, herkömmlichen, raupenfreien Broccoli zu kaufen. Laut eingangs genannten Kritikern könnte ich das auch, «weil ja sowieso betrogen wird», wenn es um Bio-Produkte geht. Richtig, man liest immer wieder über Bio-Skandale. Der letzte grosse in Deutschland 2013, wo Freiland- aber auch Bio-Eier falsch deklariert wurden. Wir können uns also nicht immer hundertprozentig darauf verlassen, dass wo «Bio» drauf steht, auch Bio drin ist. Ich bin schon froh, wenn nur 50% meiner Bio-Produkte tatsächlich Bio sind. Immerhin. Ausserdem, wenn ich Bio kaufe, wissen die Behörden um mein Bedürfnis und machen ihre Kontrollen hoffentlich entsprechend strenger.
Solange jedenfalls die Raupe in meinem als «Bio» deklarierten Broccoli überlebt, bis ich sie versehentlich mitkoche, bin ich überzeugt davon, dass sie ein glückliches, pestizidfreies Leben in einem glücklichen, pestizidfreien Bio-Broccoli geführt hat. (Der Hardcore-Verschwörungstheoretiker kann natürlich argumentieren, dass die Raupe extra gezüchtet wird, um den Broccoli biologisch aussehen zu lassen.)
Soll ich wirklich mehr ausgeben für Bio?
Meine Antwort auf diese Frage ist ein klares «Ja». Es lohnt sich, Bio zu kaufen (oder selber anzubauen) – alleine schon wegen des Geschmacks. Die Produkte mögen teurer sein, wenn man die Preise im Gemüse- oder Fleischregal vergleicht, allerdings ist der gesundheitliche Preis, den wir für Pestizide zahlen, nicht zu unterschätzen.