Salbei im Garten, der Tod muss warten

Um Leben und Tod ging es in diesem Fall zwar nicht direkt, aber die Anwendung von Salbei war für meine Patientin in ihren eigenen Worten «life changing».

Eine Mutter mit ihrem 15 Monate alten Sohn kam zu mir in die Praxis, mit der Bitte – oder schon fast einem Flehen – sie beim Abstillen zu unterstützen. Der Kleine verlangte sehr oft die Brust, und dies teilweise auf aggressive Weise – hat er ihr doch sogar ein T-Shirt zerrissen, weil er nicht warten konnte, bis die Mutter die Brust frei hatte. Nachts kam die Mutter kaum zu Schlaf, weil er immer wieder gestillt werden wollte und sich nicht anders beruhigen liess. 
Die Versuche, ihn zu entwöhnen, waren allesamt fehlgeschlagen. Hinzu kam, dass sie tatsächlich sehr viel Milch hatte und die Brüste daher schnell schmerzhaft spannten und sie aufpassen musste, keine Mastitis zu entwickeln. 

Gegenüber dem forcierten Abstillen bin ich zwiespältig eingestellt. Ist es auch für das Baby das Richtige, zu diesem Zeitpunkt abzustillen? Als ich die Patientin sah, stellte sich mir diese Frage nicht mehr. Es war offensichtlich, dass ihre Bedürfnisse dringend Priorität erhalten mussten. Der Schlafmangel und das konstante Vorhandenseinmüssen hatten sie nämlich in eine ausgeprägte Depression getrieben. Sie spürte sich selbst nicht mehr, dafür jede Menge Wut und totale Erschöpfung: «Ich schlafe nicht ein, ich falle ins Koma». Wie eingangs erwähnt, ging es nicht buchstäblich um Leben und Tod, aber es ging um das Überleben ihres Ichs. «Das bin nicht ich!», war ihre Aussage.

Die Gynäkologin hatte der verzweifelten Mutter Hormone verschrieben, um die Milch zu reduzieren. Letztere wollte es aber erst auf sanftere Art versuchen. 
«Wurde Ihnen Salbeitee empfohlen?» fragte ich eine über einen solch simplen Vorschlag erstaunte Patientin. Sie schüttelte den Kopf. Ich innerlich auch. Wie konnte es sein, dass einer Mutter mit schmerzenden Brüsten und nahe des Abgrunds Hormone nahegelegt wurden, ohne zuerst dieses Kraut mit enormem Potential in Betracht zu ziehen? Seit Jahrhunderten ist es für seine abstillende Wirkung bekannt. Meine Empfehlung war somit, Salbeitee zu trinken. Dem Jungen habe ich ein homöopathisches Mittel verschrieben, um seine selbst für ein Kleinkind auffällig fordernde Art etwas zu regulieren. 

Vier Wochen später sass eine merklich erleichterte Frau vor mir. «Der Salbeitee hat die Milch innert 2 Tagen auf ein normales Mass reduziert. Ich habe dann aufgehört, tagsüber zu stillen, was mein Sohn aber nachts scheinbar kompensieren musste. Danach war ich bereit, das Abstillen noch einmal zu probieren.» Es folgten ein paar schwierige Nächte, aber die Mutter hat es durchgezogen und der Sohn hat es schliesslich akzeptiert und schläft nun seit zwei Wochen durch. Dies ist so einschneidend und ungewohnt für sie, dass sie manchmal nachts in sein Zimmer hineinhört, um sicherzugehen, dass er noch atmet. 

Auch sonst hat sich viel geändert. Der Vater kann ihn nun zu Bett bringen, was der Sohn vorher nie akzeptierte. In der Kinderkrippe isst der Kleine das Krippenessen, wo er früher alles verweigerte, was nicht von der eigenen Mutter gekocht war. All dies entlastet die Mutter zusätzlich. «Es ist wie ein anderes Leben. Ich werde eine andere Person.»

Und all dies konnte beginnen dank eines hübschen, flauschigen, aromatischen Krauts, welches gratis im Garten wächst oder für ein paar Franken im Laden erhältlich ist. 

Der lateinische Name Salvia kommt übrigens von «salvare»: heilen, retten, erlösen. Im Falle dieser Mutter absolut passend.

Salbei in der Heilkunde

  • Salbei hat antibakterielle, antivirale, entzündungshemmende und krampflösende Eigenschaften.
  • Salbei hat einen entspannenden Effekt auf die Nerven(1).
  • Angewendet wird Salbei unter anderem bei Halsschmerzen, Husten/Erkältungen, Zahnfleischentzündungen, Nervosität/Anspannung, zum Abstillen und zur Förderung des Gedächtnisses und der Aufmerksamkeit.
  • Verwendet wird Salbei als Tee zum Trinken oder Gurgeln, oder die blanchierten Blätter als Auflage z.B. bei Zahnfleischentzündung.
Nachweise

(1) Scholey, A.B., Tildesley, N.T.J., Ballard, C.G. et al. An extract of Salvia (sage) with anticholinesterase properties improves memory and attention in healthy older volunteers. Psychopharmacology 198, 127–139 (2008). https://doi.org/10.1007/s00213-008-1101-3

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